3 Monate, nachdem ich ins Waldviertel gezogen bin, musste ich wegen heftiger Schmerzen im Oberbauch nach dem Essen zum Arzt. Beim Ultraschall erhielt ich die Diagnose „Gallensteine“.
„Bin ich dafür nicht noch mindestens 30 Jahre zu jung?“ fragte ich die Radiologin. Diese antwortete: „Nein, ich habe auch schon 8-jährige Kinder mit Gallensteinen gesehen. Das kann genetisch bedingt sein.“
Ich rief also meine Mutter an und fragte, ob wir denn Gallensteine in der Familie haben. Die lange Liste, die sie mir anschließend aufzählte, möchte ich meinen LeserInnen gerne ersparen. Kann man nichts machen: Pech mit den Genen!
Nun gut, wenn ich meine Schmerzen los werden wollte, hatte ich keine andere Wahl als zu operieren. Operieren – gerade ich: Wegen Fehlen von Natürlichkeit von der Stadt ins Land geflüchtet; lieber Tee und Globoli als Schulmedizin. Eine Katastrophe!!!
Als ich schließlich voller Angst, meine Operation erwartend im Spital lag, kam der Chirurg zu mir:
„Wir haben jetzt gleich ein Rendezvous miteinander!“
Schluck… so schaut also ein Rendezvous im Waldviertel aus.
Ich verbrachte also 2 Stunden wilder Romantik im Kreissaal. Allerdings habe ich die ganze Action natürlich verschlafen, nachdem mich der Anästhesist mit dem Worten „Guade Nocht“ in die Narkose verabschiedete.
Wie nach einer wilden Nacht so üblich, wachte ich allein in meinem Bett auf.
Mein Freier mit dem Messer hatte mir als Andenken an unsere gemeinsame Zeit ein Döschen auf’s Nachtkastel stellen lassen, das meine Gallensteine enthielt.
2 Wochen später (ich war schon 1 Woche aus dem Krankenhaus entlassen) besuchte ich meine Lieblingsbuchhandlung. Ich schleppte meinen noch leicht wunden Bauch hinein und wurde von meiner Buchhändlerin empfangen:
„Wie kummst’n du daher?“
(dt.: Wieso kommt du denn so angekrochen?)
„Ich hatte Gallensteine und ich wurde operiert!“
Sie lachte und antwortete: „Drei Monat’ Woidviertl und scho hom’s da de Goi ausagnumma!“
(dt.: Drei Monate im Waldviertel und schon haben sie dir die Galle entfernt!)
In meinem Zustand brauchte ich ein paar Minuten… und dann wurde mir klar: Sie hat vollkommen recht! Das Waldviertel muss an meiner Misere schuld sein!
Alleine wenn ich nur bei den Schwiegereltern zu Abend esse, bekomme ich ein 3-gängiges Menü serviert – mit Käseplatte als Mitternachtsimbiss als runden Abschluss.
Manchmal muss ich an den Film „Asterix erobert Rom“ denken, an die Szene wo Obelix dem Koch die ganze Küche leer isst. So ähnlich läuft ein Familienessen am Land ab.
Umgeben von Großeltern, die einen mit Süßigkeiten und Mehlspeisen mästen wollen, wird es auch nicht unbedingt einfacher. Und überall Grammeschmoiz (dt. Grammelschmalz) und Blunz’n (dt. Blutwurst) und Xöchts (dt. Geselchtes)…
Apropos Grammelschmalz:
Eine ältere Dame versuchte mich kurz vor der OP zu beruhigen, indem sie sagte:
„Tua da nix o! Ich hob 3 Woch’n nach der Operation scho wieder Grammelknedl gess’n!“
(Dt. Mach dir nichts daraus. Ich habe bereits 3 Wochen nach der Operation schon Grammelknödel gegessen.)
So läuft es wohl am Land mit der Gemütlichkeit:
Mampfen, bis die Galle voll ist – man kann sie ja schließlich entfernen. Und wenn sie dann draußen ist und der Völlerei nicht weiter im Wege steht, dann kann man ja wieder anfangen nach Herzenslust vor sich hinzumampfen.
Es gibt einen Spruch im Waldviertel der lautet:
„A Woidviertla, 3 Leit!“
(dt. ein Waldviertler, 3 Leute!)
Langsam glaube ich, dass dieser Spruch u. a. bedeutet, dass ein Waldviertler auch so viel isst, wie 3 Leute.