Der schöne Postler

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass eine Ehefrau in Besitz eines schönen Ehemannes nichts dringender braucht, als einen attraktiven Postboten. Wie wenig man auch von den Gefühlen oder Aussichten eines solchen Briefträgers wissen mag, wenn er zum ersten Mal in einer solchen Gegend auftaucht – diese Wahrheit ist in den Köpfen der am Land lebenden Familien so fest verankert, dass man ihn bereits als den rechtmäßigen Lustknaben der einen oder anderen Ehefrau betrachtet.

Waldtraud Jane Austen Bierdeckl, „Stoiz und Hoiz“

Ja, es ist wahr! Wir haben einen neuen Postler.

Und alle, die Waldtraud kennen, die wissen auch, dass Waldtraud eine himmelschreiende Schwäche für Vollbärte hat. Und der neue Postler hat den gleichen stattlichen Wildschweinborsten-Qualitäts-Bart wie der Herbert, aber doppelt so lang! Und auch wenn ich nicht Kevin heiße, bin ich aufgrund von Homeoffice oft allein zu Hause und freue mich auf jedes Paket, wie ein kleines Mädchen. Und die Post, bringt ja bekanntlich allen was.

Nur eines steht zwischen dem Glück, bzw. den bärtigen Nachkommen von mir und dem neuen Briefträger: Unsere Haustechnik! Deswegen ging ich neulich zu Herbert und sagte:

„Jetzt haben wir endlich einen Postler, mit dem ich das Klischee erfüllen und von ihm ein Kind kriegen könnte. Aber du hast ja diese Klingel mit der Kamera montiert. Jetzt würdest du ja sehen, wenn der Postler bei der Tür rein geht und nach einer Stunde glücklich wieder raus kommt!“

Dazu meinte Herbert:

„Jo, waun der a Stund herinnen warat, daun warat I scho ongfressn. Wauns nua a viertl Stund‘ is, daun is ma wuascht, weu daun hots a net länger dauert ois bei uns zwa!
(Dt.: Wenn er eine ganze Stunde da wäre, wäre ich schon böse. Bei einer viertel Stunde wäre es mir egal; dann hat es ja auch nicht länger gedauert als bei uns beiden.)

Dieses ohnehin schon absurde Gespräch zwischen uns artete schließlich wieder aus und endete bei einer noch sinnbefreiteren Fanatasie, dass ja der Postler vielleicht gar nicht auf Frauen steht und Herbert ja dann selbst etwas mit ihm anfangen könnte. Sie könnten sich dann gegenseitig ganz erotisch die Bärte streicheln.

Daraufhin verkündete Herbert:

So, mir reicht’s. I ruaf jetzt bei da Post au und sog eana: ‚Geh, schickt’s uns an onder’n Postler. Da jetzige turnt uns zu sehr an! Beim oiden sachat I de Gfoar net!‘
(Dt.: So, mir reicht es. Ich rufe jetzt das Postamt an und sage:’Bitte schickt uns einen anderen Briefträger. Der jetztige turnt uns zu sehr an. Der letzte war da weniger gefährlich.‘)

Weiter stellte Herbert fest, dass die Klingel eigentlich gar kein Hindernis für fruchtbare Postlerliebe ist. Der Postler müsste nur auf der Hinterseite unseres Hauses reinklettern.

„Und das sagst du mir noch?!“ rief ich aus. „Was ist, wenn ich davon Gebrauch mache?“

Aber Herbert triumphierte:

Des mocht goar nix! I vertrau da Nochbarin mehr ois dem Technik-Zeigs. Waun der ibern Goardnzau umme kummt, daun siacht die des sicha und daun was eh scho des gonze Derfe!
(Dt.: Das macht gar nichts. Ich habe mehr Vertrauen in die Nachbarin als in die Technik. Wenn der Briefträger über den Gartenzaun steigt, sieht sie das und dann weiß es eh schon das ganze Dorf.)

Und die Moral von der G’schicht: Kinder kriegen kann ich vom Postler nicht! Aber dann und wann, gibt es noch den Bofrostmann!

Die Toten Hosen – Der Bofrostmann