Der Morgen ist angebrochen in einer ländlichen Gegend in Niederösterreich. Rosina und Horst trinken schwarzen Kaffee und werfen einen verträumten Blick aus ihrem vor kurzem angemieteten Domizil. (Anmerkung: Als ich die erste Version dieses Textes schrieb, waren wir wohlgemerkt kinderlos, sonst würde die Szene ganz anders aussehen)
Doch dann beginnt die Diskussion zwischen Land-Mann und Stadt-Frau:
Wir sprechen über etwas, das wir in einer regionalen Zeitung namens Gmünder NÖN gesehen haben – also ich nannte die Zeitung Gmünder NÖN.
Daraufhin bessert mich Herbert aus:
„Des is’d Gminder Zeidung!“
(dt. Das heißt Gmünder Zeitung!“)
Ich rollte meine Augen und entgegnete:
„Aber da steht Gmünder NÖN drauf.“
Er ließ sich nicht davon abbringen:
„Des wor ober immer d’Gminder Zeidung!“
(dt. Dieses hochqualitative regionale Blatt wurde aber immer schon von Einheimischen als Gmünder Zeitung bezeichnet!“)
Diese Diskussion kann stellvertretend für viele andere Gespräche dieser Art stehen: Am Land ist es vollkommen wurscht, was irgendwo steht. Die Landbevölkerung erfindet für alles ihre eigenen Namen und verwirren mich grenzenlos.
Ich erinnere mich noch, als wir das erste Mal durch ein Dorf namens Ullrichs fuhren… nein eigentlich ist das auch schon wieder falsch. Denn es war Freitag. Wir passierten das Ortschild „Ullrichs“ als Horst mir mitteilte: „Des is Mureix!“
(dt. Diese pittoreske Ortschaft heißt Mureix!“)
Ich war entgeistert:
„Das ist was bitte?“
Dann wurde ich aufgeklärt:
„Des Derfe hast nur am Sunnto‘ Ullrichs. Montag bis Samstag hast’s Mureix.“
(dt. Dieses Dorf heißt ausschließlich Sonntags Ullrichs. Von Montag bis Samstag nennen wir es Mureix.)
Oder das gute alte Frawerk. Ständig hieß es:
„Mia fohr’n noch Frawerk Erpfe hoin.“
(dt. Wir fahren nach Frawerk und holen dort Kartoffeln.)
Ich nahm das immer als gegeben hin, dass wir in „Frawerk“ Erdäpfel kaufen. Bis zu dem einen verhängnisvollen Tag, an dem mein verwunderter Blick das Ortsschild traf und mich der Name „Fromberg“ anlachte, so als wollte er mich und meinen Wiener Hintern verspotten.
Weitere Beispiele für solche Namen wären Huarigs (Heinrichs oder Heinreichs – ich weiß es nicht einmal. Vielleicht wissen es die Waldviertler auch selber nicht).
Und einer meiner Favoriten ist nach wie vor Horningstoa, auch manchmal ganz lässig H-Sta genannt (dt. Heidenreichstein).
Oder der „Hoidaweh„, wie mein lieber Göttergatte so gerne sagt. „Gemma’n Hoidaweh owa“.
(dt. Lass uns den Hoidaweh entlang spazieren!)
Nur nicht auf das Straßenschild schauen…. denn dort steht groß und breit „Angerweg“.
Wie zur Hölle kommt man überhaupt auf so etwas????!!!!!!!!!!!
Naja, vielleicht kann ich mich mit folgender Erklärung abfinden:
Die Gegend, in der wir leben wir ja immer als „das mystische Waldviertel“ bezeichnet.
Vielleicht bezieht sich das nicht nur auf die Natur, sondern auch auf die vielen ungeklärten (sprachlichen) Rätsel, die einem die Waldviertler so mit auf den Lebensweg geben.
Der Ursprung von Mureix hat sich mittlerweile dank Informationen aus dem Netz etymologisch aufgeklärt:
Mureix – Antwort und Erlösung