Mistbrot-G’ruchzeit

Letzte Woche kochte ich mir ein gutes Mahl, setzte mich zum Tisch und nach 5 min Genuss meiner Mahlzeit stellte ich fest, dass mir durch das Kochen heiß geworden war. Obwohl ich meine Mahlzeit noch nicht abgeschlossen hatte, beschloss ich ein Fenster zu öffnen.

Da strömte mir ein …. ääähhh sagen wir „besonderes Odeur“ in die Nase, das man in ländlichen Gegenden zu bestimmten Zeiten im Jahr immer wieder riecht.

Ich sehe die Nachbarin wie von der Tarantel gestochen zu ihrer Wäsche eilen, die sie so eben draußen aufgehängt hat, bevor der ortsansässige Bauer beschlossen hat, seinem Feld etwas Gutes zu tun. Sie nimmt sie ab und trägt sie fluchtartig ins Haus.

Aber nicht, dass ich mich beschweren will. Für eine Wienerin, die freiwillig die Stadt-Flucht angetreten hat, riecht auch in diesen Zeiten die gut gedüngte Region Waldviertel noch immer besser als die stickige Abgasluft in Wien. (vielleicht mit Ausnahme von schweinebasiertem Feldparfum)

Wäre mein Göttergatte jetzt anwesend würde er jetzt tief und hörbar einatmen und entweder sagen:
„Aaaahhhh, Waldviertel pur!“
Oder:
„Ah, do hot wer Mistbrot g’streit!“
(dt. Da hat jemand mit Jauche gedüngt!“

Das, was bei den Waldviertlern Mistbrot ist, wird in den meisten Teilen Österreichs als „Jauche“ bezeichnet und laut Information einer KI in Deutschland „Gülle“ genannt. Oder noch spezifischer: Im österreichischen Tirol sagt man angeblich „Suar / Suur„, in Vorarlberg „Bschütte“ und im deutschen Bayern „Odel„.

Mistbrot… für mich immer ein komisches Wort, da Brot ja etwas zum Essen ist und Mistbrot…. Sagen wir so: Ich würde den Verzehr von Waldviertler Mistbrot nicht unbedingt empfehlen.
Allerdings schaut dieses Dings, wenn man es in seiner Urform als Kuhfladen auf einer Alm betrachtet, ja wirklich ein bisschen wie Brot aus.

Alle diese Worte bis auf Jauche klingen im Ohr einer gebürtigen Wienerin wenig appetitlich – aber das Waldviertlerische Mistbrot scheint mir der sinnbefreiteste Ausdruck zu sein.

Muss man es denn wirklich so nennen?

Aber wir haben ja schon bei der Abhandlung über Ortsnamen festgestellt:
Die Waldviertler müssen allem einen komischen Namen geben, sonst sind sie’s einfach nicht.

Da Mistbrot nach wie vor für Nicht-Waldviertler so halb nach etwas kuh-linarisch Wertvollem klingt, aber nichts kulinarisch Wertvolles ist, schloss ich das Fenster wieder und beschloss mein Mahl lieber in stickiger Raumluft zu genießen.

Mistbrot zu riechen ist eines; trotzdem will ich nicht das Gefühl haben, Mistbrot zu essen.

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