(Sprachliche) Integration einer Städterin am Land (1)

Diesen Beitrag verfasste ich einst zu meinem 2-Jahresjubliäum in der Region Waldviertel (jetzt zur Neuauflage sind es ja schon 11 Jahre – jetzt bin ich schon „fost a Hiesige“ ).
(dt. „fast eine eingeborene Waldviertlerin – wenn auch nur eingeheiratet“).

Mittlerweile kenne ich mich mit den ländlichen Gegebenheiten gut aus und bin (fast) voll integriert:

Im Jahr 2015 versprach ich Horst mit ihm für immer und ewig Erdäpfelknödel zu essen und trage seit dem den Namen Bierdeckl. Dank meines Namenswechsels bekam ich ganz offiziell bei der Hochzeit eine neue Staatsbürgerschaftsurkunde, was die Trauzeugin meines Göttergatten verwirrte:
„Warum bekommt sie jetzt einen Staatsbürgerschaftsnachweis? Ist das jetzt die Staatsbürgerschaft Waldviertel oder wie?“

Ich weiß jetzt, dass man zum Schweinsbraten Waldviertler Erdäpfelknödel isst und keine Semmelknödel (wie in Wien üblich).
Ich habe sogar die letzte Stufe des Waldviertler Integrationstests bestanden, als ich vor einigen Wochen erfolgreich meine 1. Waldviertler Knödel selbst zubereitete.

Der „Niederösterreichische Automobilklub“ hat mir letztens am Weg von Krems nach Zwettl meine offizielle Mitgliedsurkunde überreicht. Leider hat die 40€ gekostet…. und eigentlich ist diese Urkunde nur ein Euphemismus für meinen 1. Strafzettel, den ich in meinem Leben bekommen habe, nachdem ich 10 1/2 Jahre erfolgreich ohne so etwas ausgekommen bin.

Ich weiß, dass ich zu Mittag nicht Einkaufen fahren brauche, weil viele Geschäfte nicht offen haben. Genausowenig am Mittwoch Nachmittag.

Ich weiß dass die Marke Schremser Bier ist und und die Marke Zwettler kein Bier ist. Und dass ca. 50% der Waldviertler Bevölkerung das Gegenteil behaupten würde.
Sind andere ländliche Gegenden auch zu bierfixiert, dass sie dauernd diskutieren müssen?

Ich weiß, dass man zu den Eiern „Oa“ sagt, aber trotzdem nicht „Oalikör“ sagt, weil Eierlikör etwas Feines ist und wenn etwas fein ist, dann bedienen sich die Waldviertler scheinbar doch des Hochdeutschen.

Ich weiß, dass man von Nondorf (= eine Weltmetropole im Bezirk Gmünd) auf die Johannahöhe runter fährt und nicht rauf (man darf halt nicht logisch denken, wenn man sich auskennen will).

Ich kenne mittlerweile zu mindestens die Bedeutung von 50% aller Richtungsangaben im Waldviertlerischen Dialekt, für die es im Hochdeutschen keine Entsprechung gibt (ume, zuwe, aufe, owe, hereint, dreint)… alle anderen sind mir weiterhin schleierhaft (hiedau, herbei, uva.)… außerdem gibt es noch etliche Variationen dieser Richtungsangaben wie z. B. umezua und unterbei und …. WTF!!??

Langsam frage ich mich wirklich:
Wozu braucht die Landbevölkerung mehr Richtungsangaben als alle anderen Menschen auf dieser Welt???!!

Auch in diverse Dörfer und Kleinstädte kann man ume, eine, auße und so weiter und so fort fahren. Was man sagt, hängt immer davon ab, wo man sich gerade befindet und wie viele Einwohner der Zielort hat.
Und es handelt sich dabei um so eine Wissenschaft, dass die Waldviertler selbst immer darüber diskutieren, wie man nun wirklich sagt.

Ja, am Land wird überhaupt viel diskutiert und über die wirklich wichtigen Themen philosophiert:

Wer hat den größten Traktor?

Bier oder Nicht-Bier: Das ist hier die Frage!

Wer hat geheiratet und wer ist gestorben?
Beides ist fein säuberlich in der NÖN und den Bezirkszeitungen dokumentiert.
Die meisten Landleute haben was das betrifft ein unglaubliches Gedächtnis: Die merken sich sogar Leute aus diesen Zeitungen, die sie gar nicht kennen.
Dann stellen sie sich die Frage:
Zu wem g’hörn die?
Und das beschäftigt sie dann…
Mir ist es tatsächlich mehrmals passiert, dass Leute uns gefragt haben, wo wir geheiratet haben. Als wir dann das Palmenhaus als Eventlocation angegeben haben, kam als Reaktion:
Aaaahhh ia words des!
(dt. Ihr wart das!)
Rätsel um die Zugehörigkeit gelöst… Rätsel, wie sie sich unsere fremden Gesichter von einem kleinen Bild in der Zeitung gemerkt haben, nicht gelöst.

Während es in ländlichen Dialekten überdurchschnittlich viele Richtungsangaben gibt, muss man dafür seinen Wortschatz sonst sehr reduzieren, wenn man Dialekt lernen will, weil es viele Wörter nicht gibt…

Da dies aber Stoff für einen neuen Beitrag gibt heißt es hier: Fortsetzung folgt… (am Donnerstag den 17.07.2025)

Schreibe einen Kommentar